Landhaus Carl Duisberg

Schwanenwerder ist eine Insel im Berliner Ortsteil Nikolassee des Bezirks Steglitz-Zehlendorf. Sie liegt in der Havel am Ausgang des Großen Wannsees und ist über eine Brücke mit dem Ufer verbunden. Friedrich Wilhelm Wessel, ein wohlhabender Petroleumlampenfabrikant, der eine Villa am hoch gelegenen Wannseeufer besaß und täglich auf die damals noch „Cladower Sandwerder“ genannte Insel herabblicken konnte, erwarb 1882 das von der Havel umgebene Eiland vom Rittergutsbesitzer Hugo von Platen. Er ließ die Inselfläche erheblich aufschütten und parzellieren. Die Einzelgrundstücke bot er zum Kauf und zum Bau von Landhäusern an.

Die ersten Bewohner um 1900 waren Bankdirektoren und Fabrikanten, darunter die Warenhausbesitzer Berthold Israel und Rudolph Karstadt. Die Käufer der bis zu 30.000 Quadratmeter großen Parzellen konnten es sich leisten, namhafte Architekten und Landschaftsgestalter zu beauftragen. Es entstanden große Landhäuser mit weitläufigen Gartenanlagen. Den Anfang machten 1884 die Baumeister Paesler und Natho mit einer Villa im Burgenstil (Inselstraße 32), die der Kursmakler Max Bossart in Auftrag gegeben hatte. 1907 ließ sich der Architekt Ernst Lessing nach eigenem Entwurf ein Landhaus erbauen (Inselstraße 34/35), das ebenfalls noch vom historisierenden Baustil geprägt war. Das Grundstück Inselstraße 38/40/42 gehörte ab 1922 dem jüdischen Fabrikanten Heinrich Brückmann, der darauf den „Amselhof“ mit Wirtschaftsgebäuden, Gewächshaus und Bootshaus errichten ließ. Nach Brückmanns Tod 1929 kaufte Rudolph Karstadt (1856-1944), der Gründer des Warenhaus-Konzerns Karstadt, das Anwesen. Das Grundstück wurde 1937 geteilt und Wilhelm Höffner erwarb das Objekt in der Inselstr. 40 . Im Original sind dort noch Reste des Bootshafens und Teile der ehemaligen Gartenanlage und Bruchsteinmauern erhalten.

In der Zeit des Nationalsozialismus kam es zu Zwangsverkäufen und -versteigerungen des Eigentums der jüdischen Besitzer zugunsten der nationalsozialistischen Prominenz. Der bekannteste Inselbewohner jener Zeit war der Propagandaminister Joseph Goebbels. Es kam zu zahlreichen verfolgungsbedingten Verkäufen von Grundstücken jüdischer Eigentümer. Die nationalsozialistische Vereinnahmung der Insel gipfelte im Umbau des Landhauses Inselstraße 38 als „Reichsbräuteschule“, in der ab 1938 die Verlobten von SS- und NSDAP-Funktionären ideologisch auf ihre ehelichen Pflichten vorbereitet wurden.

Auf dem Nachbargrundstück (Inselstraße 36) lies 1939 der damalige Eigentümer, der Schauspieler und Filmregisseur Carl-Ludwig Achaz-Duisberg ein reetgedecktes Landhaus errichten. In den 70iger Jahren brannte das Landhaus ab. Der spätere Eigentümer baute das Haus wieder auf. Es besaß ein innenliegendes Schwimmbecken, eine Kegelbahn, einen Weinkeller, einen Brunnen im Hof, ein Bootshaus und ein Gartenhaus am Wasser. Bis 2009 befand sich das Landhaus noch in einem gepflegten Zustand. Heute steht es leer und zerfällt.

Nach der Restitution 1945 kaufte das Land Berlin die Nr. 38 und ließ das Gebäude abreißen. Heute ist das Grundstück ungenutzt. Auf dem Gelände ist der Luftschutzbunker für Herman Göring aus dem Jahr 1936 erhalten. Im Juli 1945 ging die Inselverwaltung an die US-amerikanische Besatzungsmacht über. Die auf Schwanenwerder von Nationalsozialisten vereinnahmten Grundstücke wurden unter Treuhandverwaltung gestellt und blieben zunächst ungenutzt. Zahlreiche der unrechtmäßig enteigneten jüdischen Emigranten stellten vom Ausland aus Anträge auf Restitution. Insoweit es zu Rückübertragungen kam, verkauften die jüdischen Eigentümer ihre Immobilie meist an das Land Berlin. Seit den 1960er Jahren erwarben auch wieder Privatleute Grundstücke auf der Insel, und es kam zu diversen Neubauten. Schwanenwerder blieb aufgrund der Ferne zum Zentrum Berlins von Bombenangriffen weitgehend verschont. Bei Kriegsende war die NS-Prominenz verschwunden.

1958 kaufte der Bezirk Berlin Steglitz/Zehlendorf das Nachbargrundstück (Inselstraße 38). 1962 nutzte der Bezirk das Gelände als Jugendfreizeitlager Sommercamp für Ferienkinder. Seit 2002 wird das Gelände nicht mehr genutzt. Da die „Zweckbestimmung Kinder- und Jugenderholungsfläche“ weggefallen sei, müsse man nun eine andere Nutzungsart ermöglichen, heißt es im Bauamt.

Schwanenwerder erfuhr Erwähnung in der Fernsehserie "Praxis Bülowbogen" (1987-1996), da die angeheiratete Familie des Dr. Brockmann (gespielt von Günter Pfitzmann) dort eine Villa (Inselstraße 20-22) bewohnte. In der Fernsehserie "Drei Damen vom Grill" (1977-1991) fand das Landhaus (Inselstraße 36) mit Harald Juhnke in der Episode "Einsamkeiten, Zweisamkeiten" (Staffel 8, Folge 6) ebenfalls einen Auftritt.


Standort: Germany / Berlin

Eigentümer: unbekannt / letzter Eigentümer Frank Fischer

Bauherr: Carl-Ludwig Achaz-Duisberg

Architekt: Jürgen Schweitzer

Fotograf: Wesenstein

Status: Leerstand

Stand: 2018

Quelle: "Fünf Monate in Berlin: Briefe von Edgar N. Johnson 1946 / "Schwanenwerder: Ein Inselparadies in Berlin" Reif, Janin / Schumacher, Horst / Uebel, Lothar Nikolai, 1979, Baunetz, Aktives Museum Faschismus und Widerstand in Berlin e.V., Christine Fischer-Defoy

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